Zusammen oder einzeln, das ist hier die Frage
Bei uns sind Einzelgespräche in der Mediation und insbesondere in der Familienmediation eher verpönt. Dies resultiert aus der hier eher favorisierten Schule der transformativen Mediation. Die Lösung des Konflikts soll sich aus dem gegenseitigen Verstehen mehr oder weniger von selbst entwickeln.
In der angelsächsischen Mediationstradition werden die Einzelgespräche (Caucus) oft als das Erfolgsgeheimnis der Mediation betrachtet und nach der gemeinsamen Opening Session durchgeführt. Dies ist eine Folge der in diesen Ländern mehr verbreiteten evaluativen Mediation, bei der der Mediator oft zu den Ansprüchen der Parteien Stellung nimmt und auch eigene Lösungsvorschläge unterbreitet. Aber nicht alle Mediatoren in den USA, Kanada und Großbritannien arbeiten so.
Kürzlich bin ich über einen Blogartikel eines Mediatorenkollegen aus Glendora, einem kleinen Städtchen in der Nähe von Los Angeles gestoßen, der auch für deutsche Mediatoren interessant ist. Der Titel des Artikels: Caucusing – 14 Reasons.
Er hält fest, dass Trennungs- und Scheidungsmediation effektiver und effizienter ist, wenn die Mediationssitzungen gemeinsam durchgeführt werden. Auch bei uns wird am Anfang einer Trennungs- und Scheidungsmediation auf die Möglichkeit getrennter Gespräche hingewiesen. Sowohl die Medianden als auch der Mediator können Einzelgespräche vorschlagen, es müssen aber alle damit einverstanden sein.
Da die Einzelgespräche dem Mediator mehr Macht und Einfluss geben, sollte die Entscheidung für Einzelgespräche sorgfältig abgewogen werden. In dem Artikel werden dann 14 Gründe für Einzelgespräche genannt:
- Um Einigungsvorschläge zu erarbeiten
- Um Vorschläge des anderen Medianden ungestört abzuwägen
- Um mit einem Medianden zu besprechen, ob seine Einigungsvorschläge realistisch sind
- Um „Was-wenn“-Alternativen zu besprechen
- Um als Resonanzboden zu dienen
- Um mit den Medianden zu besprechen, wie sie weiterverhandeln wollen
- Um Informationen zu bekommen, die in gemeinsamen Sitzungen nicht genannt würden
- Um Dinge zu besprechen, die ein Mediand nicht in Anwesenheit des anderen ansprechen möchte
- Um zu vermeiden, dass ein Mediand beleidigt ist oder sein Gesicht verliert, weil der Mediator Dinge ansprechen muss
- Um eine Diskussionspause zwischen den Medianden zu erreichen, die Spannungen abbaut und den Weg für weitere Gespräche ebnet
- Um den Prozess zu verlangsamen, da Wort und Widerwort oft zu nah aufeinander folgen
- Um die Gründe für oder gegen eine Vereinbarung zu diskutieren
- Um die Nichteinigungsalternativen mit den Medianden zu erörtern
- Um ungelöste emotionale Probleme zu bearbeiten, die die Mediation behindern
Den Vorteilen der Einzelgespräche stehen auch einige Nachteile gegenüber, als da wären:
- der Mediator ist der einzige, der über alle relevanten Informationen verfügt
- es kann der Eindruck entstehen, dass der Mediator die Verantwortung dafür übernimmt, dass die Parteien eine Vereinbarung erreichen
- der Mediator erlangt eine privilegierte Stellung und kann diese manipulativ einsetzen, um eine Vereinbarung zu erzielen
- die Medianden können das Gefühl bekommen, zu einer Vereinbarung manipuliert worden zu sein
- auch der Mediator kann durch die Parteien oder ihre Anwälte manipuliert werden
- die Parteien haben weiniger Verständnis für der anderen Partei
- die Gegnerschaft zwischen den Parteien kann sich weniger in Verständnis verwandeln
Deshalb sollte der Vorschlag eines Einzelgespräches vom Mediator wohl erwogen werden.