Zu viel oder zu wenig?
So ist ein Blog-Post des Mediators Bill Marsh aus London betitelt. in diesem Artikel machte sich Gedanken darüber, wie Mediatoren mit einer gescheiterten Mediation umgehen. Möglich ist, dass man sich Vorwürfe macht, dass man die Mediation zu keinem Abschluss gebracht hat. Möglich ist aber auch, dass man sich damit tröstet, dass man alles „mediatorenmögliche“ getan hat.
Der Autor meint, dass die meisten Mediatoren sich dahingehend unter Druck setzen, dass sie eine Mediation durch eine abschließende Vereinbarung beenden wollen. Das ist durchaus nicht ungefährlich. Es ist Sache der Mediatorin oder des Mediators, einen Mittelweg zu finden zwischen zu viel Engagement für ein Ergebnis und zu wenig Sorge.
Im ersten Fall besteht die Gefahr, dass die Mediatorin oder der Mediator ihre neutrale und allparteiliche Rolle verlieren, weil sie/er sich überengagiert für eine Lösung einsetzt. Sie/er übernimmt dann zunehmend die Verantwortung für einen Abschluss, die eigentlich bei den Mediand(inn)en liegen sollte. Im zweiten Fall bleibt die Mediatorin oder der Mediator durchaus neutral auch gegenüber den möglichen Lösungen, setzt sich aber eventuell nicht genügend dafür ein, die Mediand(inn)en zu einer Lösungsfindung zu motivieren und zu befähigen.
Daher sollte sich jede(r) Mediator(in) über diese Gefahr im klaren sein und sich diesbezüglich selbst beobachten. Marsh schlägt daher vor, folgende Fragestellungen ehrlich (und am besten schriftlich) zu beantworten:
- Warum setze ich mich für das Ergebnis der Mediation ein? – Um bewundert zu werden? Um Kritik zu vermeiden? Um weitere Mediationen zu akquirieren? Um mein Engagement zu rechtfertigen? und so weiter!
- Wie könnten meine Beweggründe – so unterschiedlich sie auch sein mögen – die Art und Weise, wie ich Mediation ausübe, beeinflussen?
Und noch eins: Eine Mediation, die ohne eine Einigung zwischen den Mediand(inn)en endet ist – auch wenn wir das meist meinen – nicht immer gescheitert. Dies ist mir erst kürzlich in einer Supervision klar geworden, die ich selbst wegen einer vermeintlich gescheiterten Mediation in Anspruch genommen habe. Es gab durchaus positive Teilergebnisse, die sich sicherlich positiv auf den Konflikt und das Verhältnis zwischen den Mediand(inn)en ausgewirkt haben.