Werkstatt kein Erfüllungsgehilfe des Geschädigten bei Obliegenheiten
In einem Urteil vom 28.2.2012 (Aktenzeichen 4 U 112/11 – 34) hat das Saarländische Oberlandesgericht folgende Leitsätze veröffentlicht: „Im Verkehrsunfallprozess sind weder der mit der Begutachtung des entstandenen Schadens beauftragte Sachverständige noch der Reparaturbetrieb hinsichtlich der Obliegenheiten zur Schadensminderung Erfüllungsgehilfen des Geschädigten. Der Geschädigte muss sich infolgedessen eine Pflichtverletzung des Reparaturbetriebs, die zu höheren Reparaturkosten führt, im Verhältnis zum Haftungsschuldner nicht zurechnen lassen. Dieser Einwendungsausschluss hat auch dann Bestand, wenn der Reparaturbetrieb durch Zession Gläubiger des Schadensersatzanspruchs geworden ist.“
Die Werkstatt klagte hier aus abgetretenem Recht auf restliche Reparaturkosten. Die Werkstatt hatte aufgrund eines Gutachtens den Auftrag zur Reparatur eines Unfallfahrzeugs erhalten. Die geschätzten Reparaturkosten lagen ca. 2.200 € unter den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs. Nach dem zerlegen des Fahrzeugs stellte sich heraus, dass die Beschädigungen stärker waren, als im Gutachten angenommen. Der Sachverständige nahm eine Nachbesichtigung vor und erteilte Reparaturfreigabe, obwohl die Werkstatt auf eine nicht unerhebliche Erhöhung der Reparaturkosten hingewiesen hatte. Nach Abschluss der Reparatur überstiegen die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert weit mehr als 30 %. Die Versicherung ersetzte lediglich den Weiderbeschaffungswert abzüglichd es Restwertes. Die Werkstatt ließ sich die offenen Schadensersatzansprüche abtreten und klagte sie ein. In erster Instanz wurde die Klage weitestgehend abgewiesen. Dass Saarländische Oberlandesgericht sprach die Klageforderung nun in vollem Umfang zu.
Dreh- und Angelpunkt des Rechtsstreites ist es, ob der Werkstatt entgegengehalten werden kann, dass sie trotz der erkennbar erhöhten Reparaturkosten die Reparatur ausgeführt hat. Ein eigenes Verschulden des Geschädigten schloss das Oberlandesgericht aus. Ihm war kein Auswahlverschulden hinsichtlich der Werkstatt vorzuhalten. Ebensowenig war ein Überwachungsverschulden feststellbar, zumal weder der Sachverständige noch die Werkstatt den Geschädigten über die erhöhten Reparaturkosten informiert hatten.
Das Oberlandesgericht führt weiter aus, dass dem Geschädigten ein eventuelles Verschulden der Werkstatt oder des Sachverständigen nicht gemäß § 278 BGB zuzurechnen ist. Der Schuldner müsse nicht für alle Hilfspersonen, die in seinem Auftrag tätig werden, einstehen. Bestehe die zu erfüllende Verbindlichkeit in einer Obliegenheit, muss sich der Schuldner der Hilfsperson zur Erfüllung dieser Obliegenheit bedienen. Weder Reparaturbetrieb noch Sachverständiger würden als Hilfspersonen des Schadensersatzgläubigers hinsichtlich der Obliegenheit der Schadensminderung tätig. Sie erfüllten – so der Senat – eigene Vertragspflichten, die sie originär gegenüber dem Schadensersatzgläubiger eingegangen seien.
Etwas anderes gelte auch nicht, weil die Werkstatt nun selbst Gläubigerin des Schadensersatzanspruchs geworden ist. Einzige rechtliche Grundlage für einen solchen Einwendungsdurchgriff könne § 242 BGB sein. Dies setze aber voraus, dass der Schadenseratzpflichtige durch die Abtretung schlechter gestellt sei. Dies sei aber nicht der Fall, zumal auch die Möglichkeit bestünde, sich vom ursprünglich Geschädigten Schadensersatzansprüche gegen die Werkstatt abtreten zu lassen. Letztlich sah aber der Senat kein Verschulden der Werkstatt.