Von der Verhandlung direkt zur Klage – muss das sein?
Die erste Studie zur Mediation von PWC und der Viadrina Universität in Frankfurt/Oder ist zwar bereits 10 Jahre alt, doch hat sich wohl daran – auch nach dem Inkrafttreten des Mediationsgesetzes – nur wenig geändert.
Eines der wichtigsten – für mich nicht überraschenden – Ergebnisse der Studie war, dass in Unternehmen Mediation als Konfliktlösungsverfahren zwar hohes Ansehen genießt (siehe Abb. 10 Seite 18) aber die tatsächliche Inanspruchnahme von Mediation weit dahinter zurückbleibt (Abb. 1 Seite 7). Bei den Vorteilswerten steht Mediation als Konfliktlösungsverfahren auf dem zweiten Rang hinter eigenen Verhandlungen (Gerichtsverfahren landen bei den Vorteilswerten auf dem letzten Platz). Soweit allerdings gefragt wurde, wie häufig die verschiedenen Verfahren in Anspruch genommen wurden, war plötzlich die Mediation auf dem letzten Platz und die Gerichtsverfahren auf dem zweiten Platz (eigene Verhandlungen sind natürlich immer die erste Wahl und das ist auch richtig so).
In der Untersuchung wurde ging man natürlich auch der Frage nach, was denn zu dieser Diskrepanz zwischen Vorteil und Inanspruchnahme führt (Abb. 4 Seite 10). Demnach wurde in erster Linie als Grund für ein Gerichtsverfahren angegeben, dass andere Verfahren im Vorfeld gescheitert seien. Da aber Mediation offenbar kaum genutzt wurde, kann also eine gescheiterte Mediation nicht als Grund angeführt werden. An zweiter Stelle steht die Klage der gegnerischen Seite gefolgt von der fehlenden Bereitschaft des Gegners zum Einsatz anderer Verfahren. Offenbar halten die befragten Unternehmen in diesen Fällen den Gang zum Gericht für unvermeidbar.
Dem ist aber nicht so. Andere Verfahren können nicht gescheitert sein, wenn sie nicht versucht wurden. Hier sind die Unternehmen bzw. die jeweiligen Rechtsabteilungen offenbar nach wie vor der Meinung, dass alle außergerichtlichen Verfahren gescheitert sind, wenn die eigenen Verhandlungen nicht zum (richtigen) Ziel kommen. Dies ist eine Haltung, die wir als Mediatorinnen und Mediatoren leider häufig antreffen. Was soll ich in einer Mediation weiterverhandeln, wenn wir in den vorherigen bilateralen Verhandlungen nicht erfolgreich waren? Dies ist ein Fehlschluss. Gerade die Einschaltung einer Mediatorin/eines Mediators und die Methoden der Mediation können die festgefahrenen Verhandlungen wieder flott machen. Gerade der Wechsel von den Ansprüchen zu den Interessen führt dazu, dass plötzlich viele weitere Lösungsoptionen auftauchen.
Genauso muss die Klage der Gegenseite nicht das aus für andere Konfliktlösungsverfahren bedeuten. Gerade durch die Gesetzesänderungen im Zusammenhang mit dem Mediationsgesetz wurde ja die Möglichkeit, verfahren für ein Mediationsverfahren auszusetzen, in allen Prozessordnungen implementiert. Es ist auch kein Zeichen einer schwachen Position, auch nach Klageerhebung der anderen Seite noch Mediation vorzuschlagen. Es ist eher ein Zeichen von Stärke, da man damit zum Ausdruck bringt, die eigenen Interessen auch ohne Hilfe des Gerichts durchsetzen zu können.
Ebenso wird wohl in aller Regel bei Scheitern einer bilateralen Verhandlung unterstellt, dass die andere Seite nicht bereit ist, an einer Mediation mitzuwirken. Dies ergibt sich aus dem Zusammenhang mit dem ersten Grund. Wenn man der Meinung ist, dass ein Klageverfahren unumgänglich ist, weil alle anderen Verfahren der Konfliktlösung im Vorfeld gescheitert seien ohne Mediation versucht zu haben, dann unterstellt man auch der Gegenseite, Mediation nicht zu wollen, wenn die Verhandlungen scheitern.
Nein, der wahre Grund, warum Mediation deutlich weniger in Anspruch genommen wird, als das Gericht, ist, dass Mediation in der Ausbildung von Juristen nach wie vor so gut wie keine Rolle spielt. Daher ist Mediation im Workflow von Juristen noch nicht enthalten. Bislang führt der Ablauf für Juristen von der Verhandlung unmittelbar zum Klageverfahren. Es gibt dort allenfalls eine Alternative zur Klage und die heißt Schiedsgericht, weil sie für die Juristen wegen der Ähnlichkeit zum Klageverfahren keine große Umstellung erfordert.
Was hier fehlt, ist offenbar nach wie vor eine breit angelegte Aufklärung aller Juristen, sei es in Unternehmen, sei es in den Anwaltskanzleien, über Mediation, wie sie abläuft, welche Optionen sie bietet und welche Vorteile sie auch im Hinblick auf entstehende Kosten hat. Hier müssen wir Mediatorinnen und Mediatoren noch viel Öffentlichkeitsarbeit leisten.