Urteilsverkündung um 00:10 Uhr in der Nacht auf Sonntag
Was sich das Landgericht Saarbrücken in einem Strafprozess geleistet hat, ist kaum fassbar. Die Saarbrücker Zeitung berichtet hier von einem Betrugsprozess, der mit aller Gewalt noch vor nächster Woche beendet werden sollte, wenn es anders nicht geht, offenbar auch mit der Brechstange. Bereits am Freitag (es warr bezeichnenderweise der 11.11.2011) hatte die SZ berichtet, dass am Samstag und eventuell auch am Sonntag getagt werden soll, weil zwei Angeklagte in U-Haft säßen und das seit Juni (!) laufende Verfahren nun unbedingt jetzt beendet werden müsse. Nächste Woche müsse ein Angeklagter ins Krankenhaus und danach seien die Richter nacheinander bis Mitte Dezember im Urlaub (!!!) (siehe hier).
Ich kenne den Prozess nicht. Aber wenn man den Bericht einer der Justiz nicht schlecht gesonnenen Zeitung liest, wird man das Gefühl nicht los, dass das Gericht sein Ziel, den Prozess nun auf jeden Fall zu beenden (um den eigenen Urlaub nicht zu gefährden) mit allen Mitteln durchsetzen wollte. Die Kammer leis wohl nichts unversucht, nicht den Verdacht eines fairen Verfahrens aufkommen zu lassen. Anders ist das Vorgehen nicht zu erklären. Dass man dann von Samstag 15 Uhr an bis Mitternacht tagt (immerhin schon einmal 9 Stunden) um dann kurz nach Mitternacht ein Urteil zu verkünden und dieses bis nach 1 Uhr der Nacht auf den Sonntag zu begründen, zeugt nur von schlechtem Stil. Alle Anträge mit der Begrübndung abzulehnen, dass das Verfahren ansonsten länger dauert, sollte eigentlich eine Revision nicht überleben.
Hier hat das Landgericht sicherlich nicht dazu beigetragen, den Glauben der Bürger an eine funktionierende und vor allem eine wenigstens ansatzweise faire und neutrale Justiz zu stärken.
5 Gedanken zu „Urteilsverkündung um 00:10 Uhr in der Nacht auf Sonntag“
Herr Kollege, Sie haben über eine Stunde unterschlagen. Urteilsverkündung war um 1.11 Uhr (Laut SZ).
Muss mal in Erfahrung bringen, welche Kollegen da beteiligt waren…
Dachte ich auch, aber Verkündung um 0.10 Uhr bis 01.11 Uhr Sitzungsende.
Ja wäre mal interessant ein paar Kommentare der beteiligten Veteidiger zu hören.
Hach „Begrübndung“ hat mich irgendwie an Verleubnung erinnert: http://strafprozess.blogspot.com/2006/05/verleubnung-von-callboy-torsten.html
Wobei ich als Bergübndung die Artikelerstellzeit in Betracht ziehe.
😉
Naja, wenn die Anwälte vorher alles tun, um den Prozess zu verschleppen, müssen sie die Konsequenzen ziehen. Der eine Anwalt war offenbar tatsächlich ein Simulant, denn er konnte trotz angeblichen Schüttelfrosts usw. 1/2 Stunde in freier Rede Beweisanträge stellen und plädieren.
Im Grunde kann man eher sagen: Unfassbar, was für Anwälte es in diesem Land gibt.
Wirklich ein starkes Stück. Ich will hoffen, dass die Kollegen die Revisionsrügen formal hinbekommen. Allein die stillbedürftige Anwältin sollte Grund genug sein, alles in der Luft zu zerreissen. Wenn man da nicht schon an § 240 StGB zum Nachteil des (durstigen) Kindes denken kann. Das Urteil war daneben auch wohlformuliert, deshalb wundert es natürlich nicht, wenn alle Anträge barsch abgewiesen werden, damit der längst fertige Urteilstext mit Strafen oberhalb der Anträge der StA nicht in Gefahr kommt.
Es ist ein Jammer mit der richterlichen Unabhängigkeit.