Und täglich grüßt das … Menschenbild

Und täglich grüßt das … Menschenbild

Kürzlich hat ein Bekannter von mir auf Twitter etwas über den Umgang von Schweden mit der Corona-Pandemie getwittert. Einer der Kommentatoren hatte darauf hingewiesen, dass das Vertrauen der Schweden in ihre Regierung größer sei: „Ich glaube nicht, dass es an Verordnungen liegt. Ich glaube es ist eine Frage des Vertrauens. Ein guter Freund aus Schweden, pensionierter Banker, hat mir das mal so erkärt.“ Wir haben seit ewiger Zeit VERTRAUEN in das Handeln unserer Regierung und auch der Polizei. Das haben wir in Deutschland, und nicht nur in Deutschland (siehe Frankreich), nicht. Jetzt könnten wir lange darüber philosophieren, liegt es an dem Bürgern, oder liegt es am Erscheinungs- und Verhaltensbild der Politiker?“

Meine Antwort hierauf war: „Ich glaube auch, dass es eine Frage des Vertrauens ist. Ich glaube aber hauptsächlich ist es dort das Vertrauen der Politiker in die schwedischen Mitbürger. Bei uns geht die Politik davon aus, dass wir alle dumm sind und nur sie wissen, was richtig ist. Wir werden entmündigt. Und sie wundern sich, dass der Druck von oben Widerstände erzeugt.“ Der ursprüngliche Verfasser des Tweets fügte dann noch einen Link auf YouTube dazu.

Letztlich kann Vertrauen nur wechselseitig entstehen. Wenn die Regierungen keinen Vertrauen in ihre Mitbürger hat, so haben die Mitbürger in der Regel auch kein Vertrauen in ihre Regierung. Genau dies kann man derzeit beobachten. Dahinter steht auf Seiten der Regierenden und der Presse meines Erachtens ein falsches Menschenbild. In der Mediationsausbildung gehört es schon ganz am Anfang dazu, das eigene Menschenbild zu reflektieren. Nach Wikipedia ist Menschenbild ein in der philosophischen Anthropologie gebräuchlicher Begriff für die Vorstellung, die jemand vom Wesen des Menschen hat. Wir gehen in der Mediation von einem humanistischen Menschenbild aus. Wir glauben, dass die Menschen, mit denen wir als Mediator:innen zu tun haben, in der Lage sind, die Konflikte und Probleme eigenverantwortlich zu lösen.

Die meisten Politiker und auch ein großer Teil der Presse geht offensichtlich davon aus, dass die Menschen der Bundesrepublik Deutschland die volle Wahrheit nicht vertragen können. Dies merken die Bürger:innen und fühlen sich manipuliert. Dies führt letztlich dazu, dass Verschwörungstheorien Raum bekommen.

Tatsache ist, dass uns sämtliche Nachrichten zur Corona-Pandemie immer so dargestellt werden, dass der Worst Case als naheliegend dargestellt wird. Gehen die Zahlen zurück, so wird ein Vergleich gewählt, der trotzdem naheliegt, dass die Situation äußerst schlimm ist. In diesem Zusammenhang ist auch das Nennen der Gesamtzahl der positiv Getesteten seit Beginn der Pandemie lediglich Stimmungsmache, da diese Zahl keinerlei Aussagekraft hat. Aber sie hört sich so schön schrecklich an.

Wer einigermaßen logisch nachdenken kann und Statistiken lesen kann, merkt, dass hier einseitig informiert wird. Ich will hier keinesfalls die Bedeutung und die Gefahr der Pandemie kleinreden. Ich meine aber, dass uns als mündigen Bürgern nicht nur Teile der Wahrheit als Pocken vom Tisch angeboten werden sollten sondern die gesamte Wahrheit. Wir werden keine große Party feiern, wenn plötzlich ein paar positive Zahlen auftauchen. Aber dieses Gefühl der Manipulation zerstört das Vertrauen in die Politik und zu den Regierenden. Und ich meine, hieraus erwächst eine große Gefahr für die Demokratie. Politiker sollten vielleicht an ihrem Menschenbild eingehende arbeiten, dass sie die Bürger:innen nicht mehr nur als dummes Stimmvieh und sich selbst als die wissende Elite sehen. Sie sollten vielmehr auf Augenhöhe mit den Wähler:innen kommunizieren. Nur so kann wieder Vertrauen entstehen.

Gerfried Braune

Assessor jur. & zertifizierter Mediator Ringstr, 49, 66130 Saarbrücken, Telefon +49 6893 986047 Fax +49 6893 986049, Mobil +49 151 40 77 6556
Ein Gedanke zu „Und täglich grüßt das … Menschenbild
  • mediation-wanderer 28. Januar 2021 um 09:18 Uhr

    Danke für diesen Beitrag! Nun.. ja, das mit dem Vertrauen ist ja so eine Sache..
    wenn wir selber dem anderen unterstellen, dass er “ einigermaßen logisch nachdenken kann und Statistiken lesen kann“ dann haben wir ja schon großes Vertrauen in ihn gesetzt, was auch die Grundvoraussetzung für unsere Arbeit als Mediatoren ist.
    Andernfalls… wär´s ja auch schwer, gemeinsam mit den Medianden eine nachhaltige Lösung zu finden.
    Im derzeitigen Setting sehe ich uns gefragter denn je, nicht nur im Kernberuf, sondern auch aufgrund unserer Haltung und unserer mediativen Softskills.

    Daher sind sicherlich Beiträge, die das Einende vor das Trennende stellen, gerade so wichtig, danke dafür
    LG aus Wien

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