Streit oder kreativer Prozess?
Journalisten machen eine für die Demokratie äußerst wichtige Arbeit. Aber manches in der journalistischen Praxis kann ich nicht nachvollziehen und ärgert mich. Eines davon ist, dass man politischen Parteien nicht mehr zugesteht, über wichtige oder auch unwichtige Fragen zu diskutieren. Immer wird das sofort als Streit bezeichnet. Den jeweiligen Vorsitzenden wird regelmäßig Führungsschwäche unterstellt.
Das ist doch schlichtweg Unsinn und zeigt in meinen Augen auch ein schlecht entwickeltes Demokratieverständnis.
Diskussion wird zwar auch oft als Streitgespräch bezeichnet, ist aber doch kein Streit. Es mag dann auch zwischen den verschiedenen handelnden Personen auch Konflikte geben. Aber es geht doch letztlich darum, den gemeinsam richtigen Weg zu finden. Das sind funktionale Konflikte, die die Partei oder sonstige Gruppierung oder Organisation weiterbringen. Eine Partei, eine Organisation oder ein Unternehmen, in dem nicht über den richtigen Weg diskutiert wird, in dem es keine neuen Ideen gibt, ist doch letztlich zum Scheitern verurteilt. Ich finde es daher immer erfreulich, wenn innerhalb der Parteien und auch zwischen den Parteien (auch öffentlich und nicht hinter verschlossenen Türen) lebendige „Streitgespräche“ stattfinden. Dies muss doch auch so sein, da es sich ja um lebendige Organismen handelt.
Genauso verkehrt ist es, wenn Journalisten von Politikern immer gleich zu jedem Problem eine fertige Antwort erwarten. Kein Mensch kann auf jede Frage sofort eine Antwort parat haben, die die Zustimmung aller findet. Aber das wird Politikern nicht zugestanden. Das Ergebnis ist dann die verquaste Politikersprache ohne konkrete Aussage. Damit sind Journalisten dann oft erstaunlich zufrieden.
Auch muss nach dem Demokratieverständnis manches Journalisten gefragt werden, wenn sie es als Führungsschwäche auslegen, dass über manche Sachfrage erst parteiintern diskutiert wird. Auch Führungspersönlichkeiten von Parteien muss doch zugestanden werden, dass sie im Laufe einer Diskussion klüger werden und vielleicht sogar einmal unter dem Eindruck von Argumenten ihre Meinung ändern. Das ist Demokratie!
Dass man manche Diskussion zielgerichteter moderieren könnte, steht auf einem anderen Blatt. Das ist aber letztlich auch kein Spezialproblem von Politikern oder Parteien.