Soviel zum Wahrheitsgehalt von Postzustellungsurkunden
Ich habe meinen Augen kaum getraut, als ich gestern den Kanzleibriefkasten leerte. Unter anderem war darin ein zugestelltes Schriftstück in dem bekannten gelben Umschlag. Nur: als Adressat war ein Kollege angegeben, dessen Kanzlei sich in dem Haus gegenüber befindet (Hausnummer 6 statt Hausnummer 5). Das Schreiben war ordnungsgemäß adressiert, die einzige Übereinstimmung mit meiner Adresse war die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt und der Straßennamen. Ich habe selbstverständlich das Schreiben dem Kollegen ausgehändigt.
Aber: Was denkt sich eigentlich ein Zusteller (sofern er überhaupt denkt) bei einer solchen Aktion. Es kann sicherlich einmal vorkommen, dass versehentlich ein Brief in den falschen Briefkasten gerät. Bei einer Zustellung, bei der eine Zustellungsurkunde ausgestellt wird, ist dies aber nicht mehr vorstellbar, es sei denn, der Zusteller ist Analphabet. In der Zustellungsurkunde steht nun mit Sicherheit, dass der Empfänger nicht angetroffen wurde und das Schreiben ordnungsgemäß in den Briefkasten des Empfängers eingeworfen wurde. Das ist doppelt falsch. Sicher konnte der richtige Empfänger in meiner Kanzlei nicht angetroffen werden. Das wurde aber auch gar nicht versucht. Es wurde nicht geklingelt, ich selbst war den ganzen Vormittag im Büro. Zum anderen wurde das Schreiben in den Briefkasten einer ganz anderen Person als den des Empfängers eingeworfen.
Man stelle sich einmal vor, der tatsächliche Empfänger hätte das Schreiben einfach entsorgt. Der Kollege, für den der Brief bestimmt war, hätte dann ein Problem gehabt. Wie hätte er die Unrichtigkeit der Postzustellungsurkunde beweisen sollen?
Und: Man hat noch nicht einmal eine Chance, sich zu beschweren, da mittlerweile diese Zustellungen von diversen privaten Zustelldiensten als auch von der Post ausgeführt werden. Es ist dann schon schwierig, festzustellen, wer diesen Mist gebaut hat!
Fazit: Die Gerichte und Behörden sollten den Glauben an die Richtigkeit dieser Postzustellungsurkunden aufgeben, solange nicht sicher gestellt ist, dass die Zusteller lesen können und auch wissen, was sie da tun.
4 Gedanken zu „Soviel zum Wahrheitsgehalt von Postzustellungsurkunden“
Ich dachte der BHG hat da schon gesagt, daß den Dingern keinerlei Beweiskraft zukommt, oder war zu den Einwurf-Einschreiben ??? Was sagt denn Beck-Online??
Ich beginne langsam daran zu zweifeln, ob wir uns mit der Privatisierung der Post, der Telekom und den Energieversorgern einen Gefallen getan haben. Wirklich besser ist nichts geworden, nur unsicherer.
Der Begriff der Daseinsvorsorge und der hierfür erforderlichen Infrastruktur scheint aus dem Bewußtsein der Politik entschwunden zu sein.
Leider hat die Postzustellungsurkunde einen Beweiswert. So das Finanzgericht Saarland in einem Urteil vom 24.5.2005 (Aktenzeichen 1 K 72/05): Die Postzustellungsurkunde als öffentliche Urkunde i.S. von § 418 Abs. 1 ZPO liefert regelmäßig den Beweis für den Zustellungsvorgang. Durch die bloße Behauptung, keine Kenntnis von der Zustellung eines Schriftstückes erlangt zu haben, kann dieser nicht entkräftet werden (BFH-Beschluss vom 21. August 2002 VIII B 58/02, BFH/NV 2003, 176). Hierzu ist vielmehr erforderlich, einen anderen Geschehensablauf substantiiert darzulegen und zu beweisen. Das kann insbesondere dadurch geschehen, dass ein Verfahrensbeteiligter Umstände darlegt, die geeignet sind, ein Fehlverhalten des Postbediensteten bei der Zustellung und damit eine falsche Beurkundung in der Postzustellungsurkunde zu belegen (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Mai 2003 III B 146/02, BFH/NV 2003, 1207).
Ich bin kein Anwalt, glaube aber etwas gesunden Menschenverstand zu besitzen. Meiner Meinung nach reicht es aus, in einem einzigen Präzedenzfall nachzuweisen, dass eine Postzustellungsurkunde keine Beweiskraft besitzen kann, weil etwas, was nicht geschehen ist, nicht bewiesen werden kann. Selbst die Annahme, die Zustellung würde „regelmäßig“ fehlerfrei erfolgen, ist eine Aussage mit statistischem Charakter, die für die Bewertung eines Einzelfalles untauglich ist.
Es wird Zeit, angesichts der „regelmäßig“ berichteten Fehler bei der Zustellung die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde zu kippen.
Wo ist die Partei, die amtlichen Unsinn beseitigen will? Es geht nur so, denn die Ämter haben ein so starkes natürliches Beharrungsvermögen, dass denen mit Vernunft nicht beizukommen ist.
Ich habe mich schon zu Zeiten der Staatspost geärgert, dass einem Briefträger Unfehlbarkeit angedichtet wird, aber jetzt mit den billigen Zustelldiensten, die nachweislich Menschen beschäftigen mit ausgeprägter Lese-Rechtschreibschwäche, ist die Selbstgerechtigkeit der Behörden einfach unerträglich.