Nach dem Unfall bloß nicht den Sicherheitsgurt lösen
…auch wenn das Auto nachts unbeleuchtet auf der Überholspur liegenbleibt. Das dachten sich offenbar die Richter des Oberlandesgerichts Karlsruhe, als sie einer Autofahrerin für die Körperschäden ein Mitverschulden von 60 % einräumten. Die Klägerin hatte die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren und war nach einem Aufprall gegen die Mittelleitplanke unbeleuchtet und nicht mehr fahrbereit auf der Überholspur nachts gegen 3 Uhr liegen geblieben. Ein anderer Autofahrer prallte auf das stehende Fahrzeug und die Klägerin wurde hierbei schwer verletzt. Das karlsruher Oberlandesgericht kam bei den Sachschäden zu einer Haftung des zweiten Fahrzeugsführers von 60 %. Bei den Körperschäden wurde dies Quote aber auf 40 % gesenkt, weil die Klägerin nicht (mehr?) angeschnallt war (OLG Karlsruhe – Entscheidung vom 15. Dezember 2010 – 1 U 108/10).
Dieses Urteil hat der BGH nun auf die Revision hin korrigiert. Laut Pressemitteilung des BGH vom 28.2.2012 kam der Bundesgerichtshof (richtigerweise) zu der Auffassung, dass für die Autofahrerin keine Anschnallpflicht mehr bestanden habe. Sie sei nicht nur berechtigt gewesen, den Gurt zu lösen, sondern dazu sogar verpflichtet gewesen, um ihr Fahrzeug zu verlassen und die Unfallstelle abzusichern und sich in Sicherheit zu bringen. Demnach könne ihr nicht angelastet werden, unangeschnallt gewesen zu sein, als sich der zweite Unfall ereignete, meinten die Richter des VI. Zivilsenats (das Urteil ist im Volltext noch nicht online).