Mit Netz geht’s besser
Lineares Denken in Wenn-Dann-Beziehungen ist typisch für das juristische Denken. Theoretisch muss (eigentlich) jeder Jurist bei gegebenem Sachverhalt zu demselben Ergebnis kommen. Das lernen wir ja bereits im Studium. Dort wird uns immer ein Sachverhalt vorgegeben und letztlich ist der Maßstab unserer Note die Musterlösung. Und dort wor die Gesetze nicht so eindeutig formuliert sind oder (was noch eher der Fall ist) der Sachverhalt nicht wirklich zum Gesetzestext passt, muss dann letztlich das Gericht aufgrund (so sollte es sein) einer stringenten juristischen Begründung klären, was gilt.
Bei dieser Art des Denkens spielen dann letztlich die Folgen der Entscheidung für den Kläger oder Beklagten keine Rolle mehr (auch wenn manche Richter zugeben, erst die Entscheidung zu treffen und dann die passende Begründung zu suchen).
Grundlage einer juristischen (oder gerichtlichen) Entscheidung ist also immer die Vergangenheit bzw. der frühere Status. Grundlage einer Entscheidung kann nicht sein, dass die Voraussetzungen geändert werden oder vernetzt gedacht wird. So kann das Gericht bei einer Entscheidung über Kindesunterhalt nur den vorhandenen Zustand berücksichtigen, also wo die Kinder ihren Hauptaufenthalt haben und welches Einkommen die/der Unterhaltsverpflichtete in der Vergangenheit hatte oder hat. Das Gericht kann keine Vorschläge machen, die Kindesbetreuung anders zu regeln, den Aufenthalt der Kinder anders zu organisieren um dann zu einer anderen Entscheidung bezüglich des Unterhalts zu kommen (soweit nicht andere Verfahren anhängig sind).
Anders in der Mediation. Dort wird das ganze Netz der Abhängigkeitne betrachtet, gewichtet und in die Lösungsfindung einbezogen.
Dies wird am besten auf einer Pinwand dargestellt, wie in dem Beispiel. Anhand eines solchen Modells kann man dann die Auswirkungen einzelner Lösungsmöglichkeiten nachverfolgen, die Abhängigkeiten feststellen und letztlich jeder seine Prioritäten herausarbeiten. Je nach Fall können sicherlich noch mehr Aspekte einbezogen werden (z.B. Kindeswohl: Kriterien hierfür etc.). Anhand dieses Netzwerks von Abhängigkeiten, das auf den ersten Blick verwirrend zu sein scheint, ergeben sich oft neue überraschende Lösungsmöglichkeiten und die Parteien brauchen nicht zu feilschen. Anhand dieser Visualisierung kann über sachliche Kriterien verhandelt werden.
Oft sind sich die Medianden sowohl der Vielzahl der Möglichkeiten als auch der Vielzahl der Abhängigkeiten nicht bewusst.Wenn nur über einen bestimmten Betrag des zu zahlenden Kindesunterhalts verhandelt wird, bleiben alle anderen Aspekte (außer das gegebene Einkommen der/des Unterhaltspflichtigen) auf der Strecke.
Da fast alle Konflikte nicht nur eindimensional sind, ist es auch sinnvoll, bei der Konfliktlösung vernetzt zu denken. Sonst wird der Konflikt nicht gelöst sondern erledigt.