Man kann’s ja mal versuchen
Der Vater eines behinderten Sohnes, der vollstationär in einer speziellen Jugendhilfeeinrichtung aufgenommen war, hatte eine – wie er meinte – gute Idee. Er musste nämlich einen monatlichen Kostenbeitrag von 635 € zahlen. Grundlage hierfür war das Nettoeinkommen, das nach der Steuerklasse III berechnet wurde. Die Ehefrau war nur in geringem Umfang erwerbstätig und hatte die Steuerklasse V.
Nun wechselte der Vater schnell in die Steuerklasse V und beantragte eine Herabsetzung des Kostenbeitrags aufgrund des gesunkenen Nettoeinkommens. Dies wurde abgelehnt. Auch in der ersten Instanz blieb die gegen die Ablehnung gerichtete Klage erfolglos.
Das Oberverwaltungsgericht gab der Klage dann auf die Berufung hin statt. Ein Steuerklassenwechsel sei jederzeit ohne Angabe von Gründen möglich und mangels grob unbilligen Ergebnisses auch nicht rechtsmissbräuchlich.
Das Bundesverwaltungsgericht war dann anderer Auffassung. Es hob die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auf und verwies den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück. Das freie Wahlrecht der Steuerklasse könne im Einzelfall nach dem Grundsatz von Treu und Glauben rechtsmissbräuchlich sein. Wenn für diesen Steuerklassenwechsel keine schutzwürdigen Gründe vorlägen und deshalb anzunehmen sei, dass der Steuerklassenwechsel vorwiegend zur Schmälerung des Kostenbeitrags erfolgt sei, müsse von einem Verstoß gegen Treu und Glauben ausgegangen werden.
Ob die tatsächlichen Voraussetzungen für Rechtsmissbrauch gegeben sind, muss nun das Oberverwaltungsgericht prüfen.
Fundstelle: Pressemitteilung Nummer 99/2012 des Bundesverwaltungsgerichts
2 Gedanken zu „Man kann’s ja mal versuchen“
Mir war so, als würde man die Steuerklasse eh nur wählen um am Monatesende Netto mehr Geld in der Tasche zu haben. …. „Wo is das Problem?“ fragt da ein juristischer Laie, wie ich. 🙂
Fiktives Einkommen auf Grund einer anderen Steuerklasse, als vom Unterhaltschuldner gewählt, ist im Unterhaltsrecht ein alter Hut, über den sich nur die Betroffenen noch aufregen.