In vorbezeichneter Angelegenheit…
so fangen 99 % aller außergerichtlichen anwaltlichen Schreiben an. Das fehlende 1 % beginnt mit: „Hiermit zeige ich Ihnen an, dass ich …vertrete…“. Der Einfallsreichtum meiner Kolleginnen und Kollegen bei der Eingangsfloskel zu ihren Schreiben ist geradezu unheimlich. Vorher wurde ich bereits mit einem drohenden: „Sehr geehrter Herr Kollege (manchmal sogar gefolgt mit meinem Namen) “ angemacht.
Dass mich die Kollegin oder der Kollege nicht in einer anderen Sache anschreiben, wenn vorher die Aktenbezeichnung genannt ist, dürfte selbstverständlich sein. Und – würden Sie einen Kollegen beim Betreten seines Büros mit einem „Sehr geehrter Herr Kollege!“ begrüßen oder würden Sie nicht Sagen „Guten Tag, Herr Kollege Braune“? Generationen von Deutschlehrern haben hier den intellektuellen Kahlschlag hinterlassen, indem sie auch heute noch den Schülern beibringen, Briefe nicht mit einem „ich“ einzuleiten. Da werden lieber, was wir auch bei den Mandantenschreiben sehen, Verrenkungen bei den Formulierungen gemacht. Ebenso wird auch heute noch gelehrt, einen Brief mit „Sehr geehrte …“ zu beginnen anstatt den Empfänger direkt mit einem „Guten Tag, Frau Kollegin …“ anzusprechen.
Wir schließen auch das Schreiben mit „Mit freundlichen Grüßen“, auch wenn die Grüße überhaupt nicht freundlich sind oder wir nicht beurteilen können, ob unsere Grüße freundlich rüberkommen. Warum nicht einfach „Viele Grüße aus Saarbrücken“ oder „Viele Grüße nach Hinterbubenbach“?
Auch dazwischen kann man viele Füllwörter weglassen. Aktives Schreiben statt passiv, also nicht „es ist ein Urteil ergangen“ sondern „das Gericht hat die Klage abgewiesen“. Weg vom Nominalstil und kurze knackige Sätze!
Befreiend war es für mich, als ich vor Jahren das Buch „Weiter im Text“ von Gerhard Bungert (übrigens ein saarländischer Autor) las. Ein empfehlenswertes Buch. Ich habe daraufhin meinen Stil entrümpelt. Das Ergebnis? Meine Briefe sind viel kürzer, aber treffender geworden und sind für die Mandanten, für die wir ja schreiben, verständlicher geworden. Anfangs ist es mühsam, von dem gedankenlosen Juristendeutsch hin zu kurzen Formulierungen zu kommen. ich muss mich auch immer wieder selbst ermahnen und meinen Stil überprüfen, da ich immer wieder (oft aus Bequemlichkeit) in den Anwaltsstil zurückfalle. Wie schrieb bereits Goethe? Entschuldige den langen Brief, ich hatte keine Zeit für einen kürzeren.
Literatur hierzu: (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)
Gerhard Bungert „Weiter im Text“
Jörg Neumann „Formulieren ohne Floskeln“
Hans-Peter Förster „Corporate Wording“
Michael Schmuck „Deutsch für Juristen“
ders. in NJW 33/2008
3 Gedanken zu „In vorbezeichneter Angelegenheit…“
In obiger Angelegenheit 😉 stimme ich zu und rege an, auch unsinnige alte Zöpfe wie „namens und in Vollmacht“ sowohl an- als auch abzuschneiden.
Danke für das Kompliment. Ich freue mich immer. wenn Juristen sich bemühen, ihre Fachsprache zu entrümpeln. Dadurch wird sie menschlicher und ihrer Aufgabe eher „gerecht“.
Es sind doch keine alten Zöpfe, sondern Floskeln, die man aus haftungsrechtlichen Gründen und um eine Neutralität zu wahren einbaut.