Herausforderungen für anwaltliches Zeit- und Selbstmanagement
Der Rechtsanwalt sieht sich bei seinem Zeit- und Selbstmanagement vor besondere Herausforderungen gestellt. Nicht ohne Grund träumen viele Anwälte nur von einem 8-Stunden-Tag und einer 5-Tage-Woche. In der Realität sind 10 bis 12 Stunden pro Tag und Arbeit am Wochenende Realität. Mit Fragen des Zeit- und Selbstmanagements sollte sich daher jeder Rechtsanwalt (oder jeder Freiberufler) beschäftigen.
Anwaltliche Tätigkeit ist – wenn man nicht nur beratend tätig ist – von einer Vielzahl fremdbestimmter Termine gekennzeichnet. Die wenigsten Richter sind bereit, eine Terminierung mit dem Anwalt abzusprechen (hoheitliches Denken ist hier meist noch angesagt). Lediglich in umfangreichen Strafsachen fragen die Gerichte in der Regel vor einer Terminierung an. In Zivilsachen ist eine Anfrage des Gerichts oder eine Absprache selten. Ohnehin ist an manchen Richtern die Erfindung des Telefons spurlos vorübergegangen, anders ist die Abneigung vieler Richter, telefonisch eine Verständigung über Termine oder Vergleiche herbeizuführen, nicht zu erklären.
Zu den fremdbestimmten Terminen gehören auch die Fristen, deren Einhaltung für den Anwalt von essenzieller Bedeutung sind. Oft ist der Sinn mancher Fristdauer nicht ganz nachzuvollziehen, insbesondere, wenn Gerichte Monate brauchen, um ein Schriftstück weiterzuleiten und dann eine Frist von zwei Wochen zur Erwiderung gesetzt wird.
Hinzu kommt, dass die fremdbestimmten Termine oft nicht eingehalten werden. Wer hat nicht schon erlebt, dass ein Termin sich um Stunden verschiebt, weil ein Richter offenbar keinerlei Gespür für die Dauer einer Verhandlung oder Beweisaufnahme aufbringt.
Die anwaltliche Tätigkeit wird auch durch viele Telefonate gekennzeichnet. Die wenigsten Rechtsanwälte erlauben sich den Luxus, mit den Mandanten nur nach Vereinbarung eines Telefontermins fernmündlich zu sprechen. Der Kontakt mit den Mandanten wird meist als zu wichtig erachtet, als dass man den Mandanten abwimmelt oder auf später vertröstet.
Kennzeichen der Anwaltstätigkeit in Bezug auf das Zeit- und Selbstmanagement ist ferner der fast ununterbrochene Strom von Informationen, die auf den Anwalt einströmen. Die Zeiten, als einmal am Tag die Post kam, sind längst vorbei. Heute kommen diverse Briefdienste, Faxe, E-Mails und Gerichtspost aus dem Gerichtsfach. Fax und E-Mail haben noch den Anschein der Dringlichkeit.
In den Wust dieser Tätigkeiten muss man dann noch die Besprechungstermine mit den Mandanten oder sonstigen Mandatsbeteiligten einflechten. Die in den Besprechungen erhaltenen Informationen müssen dann auch weiterverarbeitet, notiert und terminiert werden.
Je nach Kanzleigröße muss sich der Anwalt daneben noch den Fragen der Kanzleiorganisation und den Verwaltungsaufgaben widmen, die meist mehr Zeit in Anspruch nehmen, als man sich eigentlich hierfür leisten kann.
Dies alles geschieht in einem Umfeld, in dem die Vergütung der Rechtsanwälte – abgesehen von der Umstellung auf das RVG und damit einer Steigerung der Vergütung im Bereich Strafsachen und Sozialgerichtlichen Angelegenheiten – seit 1994 stagniert. Dies bedeutet, dass der Anwalt – sofern möglich – die Zahl der Mandate erhöhen muss, um die Kostensteigerungen aufzufangen. Dies bedeutet aber auch, dass man letztlich mehr Mandate bearbeitet, als man sich in angemessener Arbeitszeit zumuten kann, insbesondere, wenn der Streitwertmix nicht stimmt und die Mandate mit den auskömmlichen (höheren) Streitwerten fehlen.