Gewaltenteilung und Stunde der Exekutive?

Gewaltenteilung und Stunde der Exekutive?

Die derzeitige Diskussion um die Corona-Verordnungen der Länder zeigen oft ein verzerrtes Bild unseres demokratisch verfassten Staates. Auch bei rechtlichen Seminaren, die ich halte, entdecke ich immer wieder fehlende Grundlagenkenntnisse, wie unsere Demokratie funktioniert. Offenbar ein krasses Versagen unserer Schulen, obwohl die Gewaltenteilung dort in Sozialkunde Thema sein soll. Offenbar bleibt da nicht allzu viel hängen.

Dabei ist das Prinzip der Gewaltenteilung im Grundgesetz (Artikel 20 und Artikel 80) als auch in den Landesverfassungen (z.B. Artikel 61 und Artikel 104 der Saarländischen Verfassung) festgeschrieben und zählt zu den Essentialien einer Demokratischen Verfassung.

Oft beginnt das Stottern bereits nach der Frage nach den drei Gewalten (die sich die Macht teilen müssen). Es sind die Legislative (Gesetzgebende Gewalt), die Exekutive (Ausführende Gewalt) und Judikative (Rechtsprechende Gewalt). Die Legislative ist an die Verfassung und die Exekutive und Judikative darüber hinaus an die Gesetze gebunden. Das zweite Stottern beginnt dann bei der Frage, welcher Gewalt die Bundes- (oder Landes-) Regierung zuzurechnen ist. Oft herrscht der Irrglaube vor, dass sie der Legislative angehören. Richtig ist ja vielmehr, dass die Regierungen der ausführenden Gewalt zugehören und dass Gesetze ausschließlich von der Legislative und nicht von der Regierung erlassen werden.

Und dann kommt meine bösartige Frage danach, was eigentlich eine Verordnung ist. Dann fängt das Stottern oder Stochern im Nebel an. Daher dieser Blogartikel. Verordnungen sind verbindliche Regelungen von Gesetzeskraft, die nicht vom Parlament als Legislative, sondern von der Exekutive erlassen werden. Eigentlich ein klarer Verstoß insoweit gegen die Gewaltenteilung. Damit die Gewaltenteilung aufrecht erhalten bleibt, darf die Exekutive nur dann und nur dort eine Verordnung erlassen, wo sie von der Legislative hierzu ermächtigt worden ist. Das ist in Artikel 80 des Grundgesetzes (Artikel 104 Saarländische Verfassung) geregelt. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden (so wörtlich im Artikel 104 GG).

Und genau das ist eigentlich zunächst die bislang noch nicht vom Bundesverfassungsgericht entschiedene Frage, ob die Ermächtigungsgrundlage des Infektionsschutzgesetzes (§ 28 IfSG) ausreicht, um solche umfangreiche und die Grundrechte in starkem Maße einschränkenden (Art. 1 GG Würde des Menschen, Art. 2 GG Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 4 Religionsfreiheit, Art. 8 Versammlungsfreiheit, Art. 11 Freizügigkeit, Art. 12 Berufsfreiheit) durch die Exekutive möglich zu machen. Meiner Meinung nach nein, da Zweck und Ausmaß in § 28 IfSG nicht geklärt war. Dieser Paragraph war augenscheinlich nur für Einzelfälle vorgesehen, nicht aber für flächendeckende Maßnahmen. Dies bedeutet nicht, dass keine Maßnahmen hätten ergriffen werden können. Nur hätten diese Maßnahmen eben von den Parlamenten in Form eines Gesetzes ergriffen werden müssen, was auch schnell gehen kann, wie man an den neuen Änderungen des Infektionsschutzgesetzes sehen kann. Insoweit hatte auch das Saarländische Verfassungsgericht klargestellt, dass zumindest nach einigen Monaten die Gesetzgebung und nicht die Exekutive berufen gewesen wäre, die Einschränkungen zu erlassen.

Insoweit ist der nunmehr neu eingefügte § 28a des IfSG eher ein Fortschritt, nämlich eine Einschränkung denn eine Erweiterung der Kompetenzen der Exekutive. Die Frage, die sich mir nach wie vor stellt, ist allerdings, ob es auch der Legislative erlaubt sein kann, eine derartig weitgehende Einschränkung von Grundrechten aus der Hand zu geben und auf die Exekutive zu übertragen, wenn auch der Rahmen jetzt mehr konkretisiert wurde. Müsste nicht auch eine derartige Einschränkung des Kernbereichs der Grundrechte wie Freizügigkeit, Versammlungsfreiheit und Berufsausübungsfreiheit ihre Grenze bei der Gesetzgebung finden, da auch die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden ist. Den Staat geht es nunmal nichts an, mit wie vielen Leuten ich mich in meiner Wohnung treffe. Die Versammlungsfreiheit kann nur bei Versammlungen unter freiem Himmel eingeschränkt werden. Hierüber muss diskutiert werden (können).

So langsam werden auch die Parlamente wach und fordern zumindest zaghaft ihre Rechte ein. Die Stunde der Exekutive hat das Grundgesetz nicht vorgesehen und sie gibt es nicht. Die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsident:innen stehen auch in Corona-Zeiten nicht über dem Gesetz und schon gar nicht über dem Grundgesetz bzw. der jeweiligen Landesverfassung!

Gerfried Braune

Assessor jur. & zertifizierter Mediator Ringstr, 49, 66130 Saarbrücken, Telefon +49 6893 986047 Fax +49 6893 986049, Mobil +49 151 40 77 6556

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