Gerichtsverfahren dauern zu lange – Ist Mediation die Lösung?

Gerichtsverfahren dauern zu lange – Ist Mediation die Lösung?

  • Ein Zivilprozess vor dem Amtsgericht im Saarland dauert durchschnittlich 5,6 Monate. Diese Zahl entspricht den aktuellen Statistiken des Bundesjustizministeriums und ist vergleichbar mit anderen Bundesländern, wobei das Saarland zu den Bundesländern mit den längeren Verfahrenszeiten zählt.

  • Zivilprozesse vor dem Landgericht in erster Instanz dauern im Saarland durchschnittlich etwa 9,0 bis 11 Monate24. In Berufungsinstanzen kann sich das Verfahren um weitere 7,8 bis 9,8 Monate verlängern, sodass ein kompletter Instanzenzug deutlich über ein Jahr dauern kann.

Das Saarland liegt mit einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von 5,6 Monaten am Amtsgericht im oberen Bereich der deutschen Bundesländer. Kürzere Verfahrensdauern gibt es beispielsweise in Bayern und Baden-Württemberg mit etwa 4,1 Monaten, das sind mehr als 6 Wochen Unterschied.

Insgesamt ist in den letzten zehn Jahren ein kontinuierlicher Rückgang der Neueingänge bei den Gerichten zu beobachten – sowohl bundesweit als auch im Saarland. Besonders deutlich wird dies bei den Zivilverfahren an Amts- und Landgerichten, aber auch in anderen Gerichtsbarkeiten wie Sozial- und Finanzgerichten. Gleichwohl stieg die Dauer der Verfahren im gleichen Zeitraum an.

Bundesweit fehlen derzeit mehr als 2.000 Richter und Staatsanwälte, wie der Deutsche Richterbund unter Berufung auf die offiziellen Personalschlüssel der Länder berichtet. Diese Zahl bezieht sich auf die Strafjustiz und berücksichtigt den aktuellen Personalbedarf, um die hohe Arbeitsbelastung und die gestiegene Zahl an Verfahren zu bewältigen.

Zusätzlich fehlen im Bereich des Justizvollzugs bundesweit etwa 2.000 Justizvollzugsbeamtinnen und -beamte, da viele Stellen zwar geschaffen wurden, aber nicht besetzt werden können.

Auch in anderen Bereichen der Justiz, wie bei Rechtspflegern und Mitarbeitenden in den Geschäftsstellen, gibt es spürbare Personallücken, wobei konkrete bundesweite Zahlen hierzu nicht veröffentlicht sind.

Zusammengefasst fehlen bundesweit:

  • Über 2.000 Richter und Staatsanwälte

  • Rund 2.000 Justizvollzugsbeamte

  • Weitere Mitarbeitende in anderen Justizbereichen, genaue Zahlen variieren je nach Bereich und Bundesland

Die Personalsituation wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen, da bis 2030 etwa 40 Prozent der Juristen in den Ruhestand gehen werden.

Unter diesen Umständen sollten sich alle Justizminister, sei es auf Landes- oder Bundesebene, Gedanken darüber machen, wie man die prekäre Siuation im Bereich der Justiz entschärfen kann. Öffentlich hört man darüber recht wenig. Es wird allenfalls versucht, die Verfahren zu „vereinfachen“. Meist ist dies aber gleichzusetzen mit einer Einschränkung der Möglichkeiten für die Verfahrensbeteiligten.

Sinnvoll wäre es, zumindest in den Zivilverfahren eine verpflichtende außergerichtliche Mediation vorzuschreiben. In vielen Ländern ist dies bereits geschehen:

Italien
Italien hat mit dem Gesetzesdekret Nr. 28/2010 eine verpflichtende Mediation für bestimmte zivilrechtliche Streitigkeiten eingeführt. Dazu zählen unter anderem Erbschaften, Immobilien- und Eigentumsstreitigkeiten, Mietangelegenheiten, dingliche Rechte und die Aufteilung gemeinsamen Eigentums. In diesen Bereichen ist ein Mediationsversuch zwingende Voraussetzung, bevor eine Klage vor Gericht eingereicht werden kann. Wird keine Mediation durchgeführt, ist die Klage unzulässig.

Frankreich
Seit dem Gesetz vom 23. März 2019 ist in Frankreich bei zivilrechtlichen Streitigkeiten mit einem Streitwert unter 5.000 € die Durchführung einer Mediation gesetzlich vorgeschrieben. Ohne einen vorherigen Mediationsversuch wird die Klage vom Gericht als unzulässig abgewiesen. Auch in anderen Fällen kann eine vertragliche Mediationsklausel eine verpflichtende Mediation vorsehen.

Österreich
In Österreich gibt es für bestimmte Rechtsbereiche eine Verpflichtung zu außergerichtlichen Einigungsversuchen, darunter Schlichtung und Mediation. Beispielsweise müssen Nachbarschaftsstreitigkeiten und Diskriminierungsfälle nach dem Behindertengleichstellungsgesetz zunächst außergerichtlich, etwa durch Mediation, behandelt werden. Auch bei der Auflösung von Lehrverhältnissen ist vor einer gerichtlichen Klärung ein Mediationsverfahren vorgeschrieben.

Schweiz
Die Schweizer Zivilprozessordnung sieht vor, dass in den meisten zivilrechtlichen Streitigkeiten vor einer Klage ein Schlichtungsverfahren durchzuführen ist. Die Parteien können sich dabei alternativ auch auf eine Mediation einigen. Das Mediationsverfahren ist jedoch nicht in allen Fällen zwingend, sondern stellt eine Alternative zum staatlichen Schlichtungsverfahren dar.

Polen
Für bestimmte Verfahrensarten, etwa im Familienrecht, besteht in Polen eine gesetzliche Vorgabe zur Durchführung eines Mediationsversuchs, bevor der Rechtsweg beschritten werden kann.

Vereinigtes Königreich (England und Wales)
Ab Juli 2023 wurde angekündigt, dass Zivilklagen mit einem Streitwert von bis zu 10.000 GBP künftig einem verpflichtenden Mediationsverfahren unterliegen sollen. Erst nach dem Scheitern der Mediation ist der Weg zu einem Gerichtsverfahren offen.

Auswirkungen eines verpflichtenden Mediationsverfahrens auf die Verfahrensdauer

Verkürzung der Gesamtdauer bei erfolgreicher Mediation
Mediationsverfahren verlaufen in der Regel deutlich schneller als klassische Gerichtsverfahren, da sie flexibler organisiert werden können und keine umfangreichen Schriftsätze oder langwierige gerichtliche Terminierungen erforderlich sind. Statistiken aus Frankreich zeigen beispielsweise, dass in fast 80 % der Wirtschaftsmediationen der Zeitaufwand unter 20 Stunden lag. Kommt es zu einer Einigung, entfällt ein langwieriges Gerichtsverfahren, was die Gesamtdauer des Konflikts erheblich verkürzt.

Verfahrensverlängerung bei erfolgloser Mediation
Scheitert die verpflichtende Mediation, wird das gerichtliche Verfahren anschließend fortgesetzt. Die Zeit, die für die Mediation aufgewendet wurde, kommt dann zur Gesamtdauer des Rechtsstreits hinzu. In der Praxis wird das Gerichtsverfahren während der Mediation zum Ruhen gebracht und erst nach Abschluss der Mediation wieder aufgenommen. Dennoch ist diese zusätzliche Zeit meist überschaubar, da Mediationsverfahren in der Regel innerhalb weniger Wochen abgeschlossen werden, während Gerichtsverfahren oft Monate oder Jahre dauern können. In bestimmten Fällen, etwa im Familienrecht, sieht das Gesetz vor, dass das Verfahren spätestens nach drei Monaten wieder aufgenommen wird, um übermäßige Verzögerungen zu vermeiden.

Keine nachteiligen Auswirkungen auf das Gerichtsverfahren
Scheitert die Mediation, hat dies keine negativen Auswirkungen auf das anschließende Gerichtsverfahren. Das Verfahren wird einfach fortgesetzt, als hätte die Mediation nicht stattgefunden8. Die Parteien verlieren dadurch keine Rechte oder Fristen, sofern gesetzliche Ausschlussfristen beachtet werden.

Fazit

  • Bei erfolgreicher Mediation: Deutliche Verkürzung der Gesamtdauer des Konflikts.

  • Bei erfolgloser Mediation: Geringfügige Verlängerung der Gesamtdauer, da das Gerichtsverfahren nach Abschluss der Mediation wieder aufgenommen wird.

  • Gesetzliche Regelungen sorgen dafür, dass das Verfahren nicht unangemessen verzögert wird (z. B. Wiederaufnahme nach spätestens drei Monaten im Familienrecht).

Insgesamt führt ein verpflichtendes Mediationsverfahren also meist zu einer Beschleunigung der Konfliktlösung, sofern eine Einigung erzielt wird, während bei Scheitern der Mediation die Verfahrensdauer moderat verlängert werden kann, ohne dass dies gravierende Nachteile für die Parteien mit sich bringt.

Möglicherweise führt die Einführung einer verpflichtenden Mediation als Prozessvoraussetzung auch dazu, dass das Streitverhalten der Menschen sich ändert, wenn sie erleben, dass es keines Gerichtsverfahrens mit der Entscheidung durch einen Richter beddarf, um Konflikte zu lösen und dass selbst geschaffene Lösungen nachhaltiger sind als Urteile.

 

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Gerfried Braune

Assessor jur. & zertifizierter Mediator Ringstr, 49, 66130 Saarbrücken, Telefon +49 6893 986047 Fax +49 6893 986049, Mobil +49 151 40 77 6556

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