Gerichte sind nicht alles
Viele Juristen sind aufgrund ihres Studiums ausschließlich darauf gepolt, dass nur Gerichte Streitigkeiten wirklich lösen können. Deshalb hat juristische Konfliktbearbeitung meistens den gleichen Workflow vom ersten Forderungsschreiben über außergerichtliche Verhandlungen zum Gericht. Damit heizen die Juristen die Konflikteskalation an. Begünstigt wird dies noch durch die Overconfidence-Bias, dem psychologischen Effekt, dass man seine eigene Position immer für stärker hält, als sie eigentlich ist. Fragen Sie einmal die beiden mandatierten Anwälte nach einer prozentualen Bewertung ihrer Erfolgsaussichten. Wenn die Summe der Prozentangaben unter 130 % liegt, waren das sehr vorsichtige Anwälte.
Oft wird nicht einmal ein Gedanke daran verschwendet, dass Konfliktlösung auch anders gehen könnte. Dabei gibt es unter dem Begriff ADR (Altenative Dispute Resolution) verschiedene andere Konfliktbeilegungsmethoden, die jedoch weitgehend ein stiefmütterliches Dasein fristen.
Als Mediator nenne ich natürlich als erstes Mediation. Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mit Hilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben (§ 1 Abs. 1 MediationsG). Ein Mediator ist eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt(1 Abs. 2 MediationsG). Im Gegensatz zum Schlichter macht der Mediator keinen Lösungsvorschlag. Es ist allein Sache der Medianden, mit Hilfe des Mediators eine Lösung ihres Konflikts zu finden. Der Vorteil ist, dass die Medianden mit dem selbst kreierten Ergebnis viel zufriedener sind, als in allen anderen Verfahren und daher auch die Vereinbarung eher eingehalten wird. Alleinstellungsmerkmal der Mediation ist, dass wegen der fehlenden Entscheidungsbefugnis des Mediators sich die Kommunikation verändert. Da der Mediator in keiner Weise entscheidet oder einen Lösungsvorschlag unterbereitet, ist es für die Medianden sinnlos, den Mediator von ihrer Position überzeugen zu wollen. Die Medianden sind daher gezwungen, gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten.
Bekannt ist der Öffentlichkeit die zweite Methode, die Schlichtung, vor allem aus den Tarifverhandlungen. Wie bereits erwähnt, ist Kennzeichen der Schlichtung, dass der Schlichter am Ende der Verhandlungen der Parteien einen Schlichterspruch verkündet. Dieser ist für die Parteien nicht bindend. Die Parteien können frei entscheiden, ob sie den Konflikt entsprechend dem Vorschlag des Schlichters erledigen wollen. Der Einfluss der Parteien auf das Ergebnis ist weit geringer, als in der Mediation. Zwar bleiben die Parteien in der Annahme oder Nichtannahme des Schlichtungsergebnisses frei, auf den Inhalt haben sie aber nur begrenzten Einfluss.
Das Schiedsgerichtsverfahren hat alle Vor- und Nachteile eines Gerichtsverfahrens, will heißen, dass die Parteien nur geringen Einfluss auf das Ergebnis haben. Sie haben auch keine Entscheidungsfreiheit mehr, ob sie das Urteil des Schiedsgerichts akzeptieren wollen (ausgenommen von Rechtsmitteln). Vorteil für die Parteien ist, wie bei allen ADR-Verfahren, dass das Verfahren in aller Regel schneller zu einem Ergebnis kommt, als ein Gerichtsverfahren und dass das Ergebnis nicht öffentlich sein muss, was manchmal im Interesse eines oder beider Beteiligten liegt.
Vor allem im Baubereich wird immer mehr vom Adjukationsverfahren Gebrauch gemacht. Hier entscheidet ein Sachverständiger Dritter vorläufig. Diese Entscheidung kann zwar vor Gericht noch angefochten werden, eine Streitigkeit ist aber schnell vorläufig beigelegt, so dass im Baubereich keine längeren Baustillstände entstehen.
In den USA gibt es noch weitere ADR-Verfahren, die dem dortigen Gerichtsverfahren geschuldet sind, wie etwa Early Neutral Evaluation. Aufgrund eines anderen Rechtssystems spielen diese Arten der Konfliktbeilegung bei uns keine Rolle.
Trotz der Vorschrift des § 253 Abs. 3 ZPO (Die Klageschrift soll ferner enthalten: 1. die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; …) werden die Angaben zu einer Mediation oder einem anderen ADR-Verfahren meist untzerlassen, ganz einfach, weil sich weder der Anwalt noch die Partei darüber Gedanken gemacht haben geschweige denn, so etwas in Betracht gezogen haben. Angesichts der Vorteile der ADR-Verfahren sollten die Beteiligten darüber mehr nachdenken. Gerichte sind nicht alles!