Für das Denken bezahlen wir nicht
Auf dem Simple Justice Blog des New Yorker Strafverteidigers Scott H. Greenfield habe ich einen interessanten Gedanken gefunden. Unter dem Titel „No Code For Thinking“ weist er darauf hin, dass es kaum möglich ist, in einer Zeitabrechnung einfach Zeiten für das Nachdenken aufzuführen. Man muss diese Zeiten dann unter anderen Aktivitäten verstecken, wie etwa „Akte durcharbeiten“ und ähnliches.
Dabei ist Denken doch nichts Schlechtes? Warum ist es kein Posten, den man als sochen abrechnen kann?
Abgerechnet werden in aller Regel Dinge, die ein gewisses Maß an Aktivität erfordern (oder zumindest den Anschein hervorrufen). Dabei ist Denken doch gerade bei Anwälten die zentrale Anforderung. Kaum ein Anwalt wird für alle Fallkonstellationen eine Lösung sofort parat haben (und wenn, ist das doch auch eine Denkleistung).
Wo liegt das Problem? Wahrscheinlich darin, dass man nicht erkennen kann, ob jemand gerade über den Fall nachdenkt oder von der letzten Nacht (oder sonstwas) träumt. Wenn die Peron aber wenigstens die Akte vor sich liegen hat und darin blättert, so hat man einen (zumindest scheinbaren) Nachweis, das die Person an der Akte arbeitet. Auch wenn ich das letztlich am Timesheet nicht erkennen kann, ob die Person dann auch tatsächlich die Akte vor sich liegen hatte, hat der Mandant in eine Position, die eine Aktivität ausdrückt, mehr Vertrauen als in eine überhaupt nicht nachprüfbare Denkphase.
Einen anderen Gedanken bringt hier ein Kommentator ins Spiel. Er schreibt: Jemanden für’s Denken zu bezahlen bedeutet, dass Sie jemanden bezahlen, der das, was Sie nicht wissen, auch nicht weiß!
Ich glaube, dass das auch der Hintergrund ist, warum viele liebe Mitmenschen glauben, einen juristischen Rat könne man für lau erhalten. Wenn der Jurist (oder Arzt oder ein anderer Spezialist) es doch sofort weiß, ist das ja keine Arbeit.
Oft ist es ja auch nicht das juristische Wissen allein, über das man als Jurist nachdenken muss, sondern auch die Frage, wie man am besten taktisch vorgeht und wie man die Interessen des Mandanten am schnellsten, billigsten und sichersten erreichen kann (und das nicht nur aus haftungsrechtlichen Gründen sondern um dem Mandanten die beste Leistung zu bieten).
Das Problem, dass ich eine Position „Denken“ nicht abrechnen kann (zumindest nicht mit diesem Wort), stellt sich allerdings nur dann, wenn ich auf Zeitbasis abrechne. Insofern hat unser streitwertbezogenes Pauschalsystem des RVG auch mal seine Vorteile.
2 Gedanken zu „Für das Denken bezahlen wir nicht“
Also unser System kennt dafür die Kategorie: „Prüfung der Sach- und Rechtslage“
Grds. ja auch kein Problem: Das Denken passiert in den seltensten Fällen im luftleeren Raum, entweder bei der Erfassung des Sachverhalts (Aktenstudium) oder wenn das Ergebnis des Denkens zeitgleich fixiert wird (Gutachten, Schreiben v. … usw.).
Nur in den Fällen, welche über den noch nachvollziehbaren Zeitraum obiger Positionen hinausgehen, verwende ich separate Posten wie z.B. „Entwicklung eines Gestaltungsmodells“, „Konzeptionierung für…“.
Dies dient dann auch der Transparenz bei den jeweiligen Mandaten.