Es muss nicht immer ein Gutachten sein
Ist der wirkliche Kindeswille zuverlässig durch den Verfahrensbeistand und eine richterliche Kindesanhörung aufgeklärt worden, so ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens hierzu regelmäßig nicht erforderlich. Das ist der Leitsatz einer Entscheidung des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 5.3.2013, Aktenzeichen 6 UF 48/13.
Die Eltern eines neunjährigen Kindes stritten sich über das Sorgerecht hinsichtlich ihres Sohnes. Zuvor bestand die Regelung, dass das Kind alle zwei Wochen zwischen den Eltern wechselte. Das Familiengericht hatte das Sorgerecht allein auf den Vater übertragen. Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Kindesmutter, die ihrerseits das alleinige Sorgerecht für sich beanspruchte. Ihr Haupteinwand gegen die Entscheidung des Familiengerichts richtete darauf, dass das Familiengericht kein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt hatte, was der Wille des Kindes hinsichtlich seines Aufenthaltes sei.
Der 6. Senat des Oberlandesgerichts in Saarbrücken war allerdings der Auffassung, dass es der Einholung eines Sachverständigengutachtens hier nicht bedurft hätte. Der Sohn hat seinen Willen klar und eindeutig sowohl gegenüber seinem Verfahrensbeistand als auch in der beanstandungsfrei durchgeführten Anhörung durch das Familiengericht geäußert. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Kind durch den Vater einseitig beeinflusst worden sei. Da es keine anderen Sorgerechtskriterien zugunsten der Mutter gebe, komme dem Willen des Kindes entscheidendes Gewicht zu.
Es ist eigentlich schlimm, wenn man bei der Lektüre derartiger Entscheidungen die Unfähigkeit der Eltern (oder zumindest eines Elternteils) sieht, sich zugunsten des Wohles des eigenen Kindes zu einigen und zusammen´zuarbeiten. Letztlich dient auch eine derartige Entscheidung nicht wirklich dem Kindeswohl, weil zumindest die unterlegene Partei alles daran setzen wird, die Entscheidung zu revidieren. Das ist der Nachteil gerichtlicher Entscheidungen, die auch nicht die wahren Interessen der Eltern ermitteln kann. Hier wäre ein konsensuales Verfahren wie Mediation hilfreich. Dafür bedarf es aber der Bereitschaft der Eltern.