Es kennen heißt nicht es zu tun
Das trifft vor allem auf die Mediation zu. Mediation ist mittlerweile (als ich vor 16 Jahren mit Mediation begann, musste ich jedem erklären, dass es sich nicht um Entspannungsmethoden geht) weitgehend bekannt. Laut Umfragen des Instituts für Demoskopie in Allensbach stieg der Bekanntheitsgrad von Mediation als Konfliktlösungsinstrument von 57% im Jahr 2010 auf 65% im Jahre 2011 (Roland Rechtsreport 2011 Seite 38). Mediation wird auch von 46% der befragten als geeignet angesehen, viele Streitigkeiten beilegen zu können, von denen, denen Mediation bereits bekannt war, sogar zu 57%.
Im Roland Rechtsreport 2010 war noch weitergehend gefragt worden. Auf die Frage: „Wenn Sie die Wahl hätten, welches Verfahren würden Sie bei einer rechtlichen Auseinandersetzung bevorzugen: ein Gerichtsverfahren oder ein Mediationsverfahren?“ wollten 44% ein Mediationsverfahren und 20% ein Gerichtsverfahren bevorzugen (der Rest war Unentschieden). Bei denen, denen Mediation vorher bekannt war, tendierten bereits 54% zu Mediation und nur 13% zum Gerichtsverfahren.
Ähnlich sieht es bei der Wirtschaftsmediation aus, sei es Mediation im Unternehmen oder zwischen Unternehmen. Hier gibt die Studie von PWC und Viadrina „Praxis des Konfliktmanagements deutscher Unternehmen“ von 2007 Auskunft. Demnach wird Mediation mit 73,3% als Vorteilhaft bewertet, gegenüber 23,3% beim Gerichtsverfahren. Nur Verhandlungen werden mit 90,8% Vorteilswert noch besser bewertet (Seite 11).
Demnach alles in Butter für die Mediation und die Mediatoren? Nein!
Schaut man sich die tatsächliche Inanspruchnahme von Mediation an, so steht diese im krassen Widerspruch zu den obigen Ergebnissen des Bekanntheitsgrades und den Vorteilen. Im Unternehmensumfeld wird Mediation fast Nie in Anspruch genommen, während Verhandlung fast immer und Gerichtsverfahren Selten bis häufig in Anspruch genommen werden (PWC/Viadrina-Studie Seite 10). Im privaten Bereich kenne ich keine konkreten Zahlen der Inanspruchnahme von Mediation. aus eigener Erfahrung und aus dem Erfahrungsaustausch mit anderen Mediatoren dürfte die Inanspruchnahme von Mediation noch relativ gering sein, weit geringer als eigentlich angesichts der Umfragewerte zu erwarten wäre.
Die PWC/Viadrina Studie hat mehrere Gründe für diesen Widerspruch herausgearbeitet. Einmal besteht demnach ein erhebliches Erfahrungsdefizit hinsichtlich Mediation. Denjenigen, die für die Auswahl des Konfliktbearbeitungsverfahrens in Unternehmen obliegt, fehlen einfach praktische Erfahrungen mit Mediation. Das gleiche dürfte für Mediation im privaten Bereich zutreffen. Die meisten Mediationsmandate in diesem Bereich kommen über Mund-zu-Mund-Propaganda von Leuten, die Mediation schon (erfolgreich) erlebt haben. Es dürfte daher eine der wichtigsten Aufgaben für die Mediatoren sein, das Wissen über Mediation, den Ablauf eines Mediationsverfahrens und den Einsatzbereich von Mediation weiter zu verbreiten und zu verankern.
Der zweite Grund ist, dass noch ein hohes Vertrauen in die deutsche Justiz besteht, auch wenn das Verfahren selbst als unangenehm erlebt wird. Hier müssen die Mediatoren noch über die Verbindlichkeit der in der Mediation getroffenen Vereinbarung aufklären und Mediation professionell betreiben (manche sehen Mediation noch in der Esoterikecke, in der wenige Mediatoren auch noch sitzen. Für eine Mediation brauche ich keine Kerze!).
Das neue Mediationstgesetz wird wohl auch noch zu einer weiteren Verbreitung der Mediation beitragen, zumal auch durch die Schaffung des zertifizierten Mediators ein auch für die Laien erkennbarer Ausbildungsstandard geschaffen wurde.