Die konfliktbehaftete Dreieinigkeit: Beschreiben – Erklären – Bewerten

Die konfliktbehaftete Dreieinigkeit: Beschreiben – Erklären – Bewerten

Die drei Konstruktionen Beschreiben-Erklären-Bewerten können jeweils Anlass für Konflikte geben. Es ist für die Analyse von Konflikten für Mediator*innen, aber auch für die Konfliktbeteiligten wichtig, einmal zu analysieren, wegen welcher der drei Konstruktionen der Konflikt ausgetragen wird – möglich

Möglicherweise sogar wegen aller drei Konstruktionen, die aber dann in der Konfliktkommunikation nicht getrennt werden, sondern durcheinandergeworfen werden und so den Konflikt als unlösbar erscheinen lassen. Um es noch undurchsichtiger zu machen: In der Konflikttheorie werden dann noch die drei Dimensionen Sach-, Sozial-, und Zeitdimension unterschieden. Das soll hier aber einstweilen dahingestellt bleiben.

Allein die drei Konstruktionen geben schon genug Anlass für Konflikte. Ein schönes Beispiel ist der Eklat zwischen Trump und Selenskyj (Ooops, Eklat ist bereits eine Bewertung).
Beschreibung:
Die Beschreibung eines Vorfalls durch unterschiedliche Beobachter muss zwingend unterschiedlich sein. Jede beobachtende Person hat eine eigene Wahrgebung. Dies beruht schon darauf, dass jede Person nur das wahrnimmt, auf das er seine Aufmerksamkeit richtet. Da wir nicht alle auf dasselbe fokussieren, gibt es also zwingend unterschiedliche Wahrnehmungen. Es ist daher bereits schwierig, sich auf (angeblich objektive) Fakten zu einigen. Bereits hier beginnt die Möglichkeit, sich zu streiten. Jeder, der einmal eine Beweisaufnahme bei Gericht mit mehreren Zeugen, die über dasselbe Geschehen aussagen sollen, erlebt hat, weiß wie unterschiedlich die Darstellungen sein können.

Erklärung:
Unter einer Erklärung ist die Konstruktion eines Mechanismus zu verstehen, der – wenn er denn tatsächlich wirksam wäre –  ein beobachtete Phänomen hervorbringen würde (Fritz B. Simon, Einführung in die Systemtheorie des Konflikts, 2015, Seite 35). Das Erklären eines Geschehens ist auch insofern problematisch, als unser Gehirn oft unbewusst aus einem einzelnen Vorfall eine Geschichte formt. Das menschliche Gehirn ist darauf ausgelegt, Sinn in der Welt um uns herum zu erkennen und Muster zu entdecken. Dabei helfen uns Geschichten, Informationen zu verarbeiten, zu speichern und weiterzugeben. Und wir suchen immer nach Schuldigen (natürlich nicht wir selbst!). Daher ist auch das Erklären höchst konfliktträchtig.

Bewertung:
Der Mensch kann nicht beobachten ohne zu bewerten. Wer sich mit gewaltfreier Kommunikation beschäftigt hat, weiß, dass es extrem schwer ist, die eigene Wahrnehmung wert- und bewertungsfrei zu artikulieren. Moralische, ethische, ästhetische, ökonomische, politische, ideologische, emotionale Bewertungen können und müssen zu Konflikten führen, wenn sie zu Entscheidungen über Handlungen führen.

Als Mediator kann ich den Mediand*innen noch einigermaßen nahe bringen, dass die Bewertungen immer subjektiv sein müssen (auch wenn viele der Meinung sind, ihre Bewertung entspräche einem objektiven universellen Maßstab). Beim Beschreiben gehen viele Konfliktbeteiligten noch davon aus, dass ihre Wahrnehmung objektiv und allgemeingültig sei. Sicherlich gibt es Teile der Wahrnehmung, die objektiv nachprüfbar sind, weil sie den Naturgesetzen entsprechen (Wasser fließt nicht den Berg hinauf). Andere Teile sind aber Teil der Wahrgebung, das heißt, sie sind (unbewusst) konstruiert und nicht objektiv, auch wenn wir der Meinung sind, so war es und nicht anders. Ähnlich ist es mit der Erklärung. Dort gibt es auch Teile, die sind objektivierbar richtig (er hat auf die heiße Herdplatte gefasst, deshalb hat er jetzt Brandwunden an der Hand). Aber manche (ich würde sagen, die meisten) Erklärungen sind jedoch subjektiv. So gibt es heute unterschiedliche Erklärungen für den Niedergang der deutschen Autoindustrie (Verbrennerverbot vs. keine Vorbereitung auf die Elektromobilität usw.).

In einer Mediation ist es sinnvoll, zu klären, wo der Hauptstreitpunkt liegt, auf dem Beschreiben, auf dem Erklären oder auf dem Bewerten. Dann kann eine Mediatorin zunächst klären, von welcher Beschreibung gehen wir in der Mediation aus, können wir uns auf eine Erklärung einigen oder gar auf eine gemeinsame Bewertung?

Vielleicht können wir uns auch nur darauf einigen, dass unterschiedliche Beschreibungen, Erklärungen und Bewertungen existieren und akzeptiert werden und wie die zukünftige Beziehung unter Berücksichtigung dieser Unterschiede fortbestehen kann.

Gerfried Braune

Assessor jur. & zertifizierter Mediator Ringstr, 49, 66130 Saarbrücken, Telefon +49 6893 986047 Fax +49 6893 986049, Mobil +49 151 40 77 6556

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