Die Buchhalternase

Die Buchhalternase

Bei manchen Behörden fühlt man sich um Jahrzehnte in die Vergangenheit zurückversetzt. Mein Sohn hatte über eBay ein Teil für seine Kamera bestellt. Die Post wies darauf hin, dass das Päckchen bei dem hiesigen Hauptzollamt abgeholt werden könne.

Als wir dort aufkreuzten, war der Schalter gerade verwaist. Die Beamtin, die einige Meter weiter im Hintergrund saß, meinte, dass ihr Kollege gleich komme. Er tauchte dann auch gemäßigten Schrittes auf, holte das Päckchen und ließ es uns öffnen. Nachdem er die zollamtliche Unbedenklichkeit festgestellt hatte, begann er (immerhin am Computer!!) das Formular für die Einfuhrumsatzsteuer auszufüllen. Wir hatten den Eindruck, dass er dies das erste Mal in seinem Leben tat, so atemberaubend war die Geschwindigkeit. Immerhin nach fast 10 Minuten hatte er das Formular ausgedruckt. Wahnsinnige 9,08 Euro hatten wir zu zahlen und er schickte uns an die Kasse. Der Kollege komme gleich (er war am anderen Ende des Raumes lautstark am Telefonieren). Irgendwann erbarmte sich die Beamtin, die uns bereits am Anfang das baldige Kommen ihres Kollegen angekündigt hatte. In dem Kassenraum betrachtete sie zunächst tiefsinnig das Quittungsformular, den Bescheid und diverse Listen. Dann trug sie handschriftlich etwas in den Quittungsblock ein, schaute wieder hilflos auf die Formulare, als endlich der richtige Beamte erschien. Er füllte nun die Quittung fertig aus und diverse Listen.

Dann griff er gemächlich zu dem auf dem Schreibtisch liegenden Lineal, strich fein säuberlich auf dem Quittungsformular einige Stellen aus. Dann malte er mit dem Lineal kunstvoll und akribisch eine Buchhalternase zwischen den Betrag und der Summe. Dann kam er an das Fenster des Kassenraums und kassierte die 9,08 Euro.

Als er uns dann noch ein Gespräch drückte, wie schlecht das doch heute alles mit den Computern sei, früher hätte man (ich weiß nicht was) einfach gestrichen, jetzt müsse man alles nochmal neu eingeben, musste ich meinen Sohn vor dem Gehen aus der Schockstarre wecken. Er fragte mich dann, ob wir Opfer von „Verstehen Sie Spaß?“ geworden wären oder ob das Realsatire wäre.

Es war Realsatire. Immerhin waren für 9,08 Euro drei Beamten mindestens 20 Minuten für uns beschäftigt.

Gerfried Braune

Assessor jur. & zertifizierter Mediator Ringstr, 49, 66130 Saarbrücken, Telefon +49 6893 986047 Fax +49 6893 986049, Mobil +49 151 40 77 6556

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