Das Gedächtnis – ein sich ständig veränderndes System

Das Gedächtnis – ein sich ständig veränderndes System

Gerade lese ich ein hochinteressantes Buch des bekannten Hirnforschers Manfred Spitzer: Nervenkitzel – Neue Geschichten vom Gehirn. Er beschreibt dort unter der Überschrift „Falsche Erinnerungen“, wie einfach die Frage die antwort auf erinnerte Vorgänge verändert. In einem Experiment wurde Studenten ein Film von einem Unfall vorgespielt und sie anschließend u.a. nach der Ausgangsgeschwindigkeit der Fahrzeuge befragt. Die Antworten hingen von der Frage (Wie schnell fuhren die Autos als sie Kontakt hatten? ….als sie aufeinandertrafen?  ….als sie aufeinanderbumsten?   ….als sie kollidierten?   ….als sie aufeinanderkrachten?) ab. Sie variierten von 50 km/h bei „Kontakt hatten“ bis zu 65 km/h bei „aufeinanderkrachten“.

Aber nicht allein die Antworten hingen von der Art der Fragestellung ab. Durch weitere Experimente konnte nachgewiesen werden, dass durch die Art der Fragestellung sich auch die Erinnerung der befragten Personen geändert hatte.

Jeder, der Zeugen vernimmt, sollte daher wissen, dass er mit der Art seiner Frage nicht nur die Tendenz der Antwort beeinflusst sondern auch die Erinnerung an den Vorfall bei dem Befragten verändert.

Experimente zeigen sogar, dass darüber hinaus auch Probanden durch nahe Verwandte Ereignisse suggeriert werden können, die von den Probanden hinterher als tatsächlich erlebt erinnert werden. Selbst durch das Zeigen von Werbeanzeigen konnte bei Studien in den USA bei Studenten die Erinnerung hervorgerufen werden, im Disney-Park Mickey-Mouse die Hand geschüttelt zu haben oder Bugs Bunny (eine Figur der Konkurrenz Warner Bros., die im Disney-Park daher nicht auftritt) oder Ariel, der kleinen Meerjungfrau (die es damals noch gar nicht gab)!

Spitzer warnt daher zu Recht davor, dass Zeugenaussagen daher falsch sein können, selbst wenn der Zeuge nach bestem Wissen und Gewissen aussagt. Nicht umsonst heißt es bei uns wohl in der Eidesformel „…dass Sie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben“.

Das Gedächtnis – so Spitzer – ist kein Kasten, in den man Inhalte steckt und wieder herausholt, sondern ein ständig sich veränderndes System; ein weicher Tonklumpen, der sich formt, sobald man ihn anfasst. Hören wir also auf damit, so zu tun, als sei es ein Karton.

Gerfried Braune

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2 Gedanken zu „Das Gedächtnis – ein sich ständig veränderndes System
  • taminator 16. Februar 2010 um 11:20 Uhr

    Ariel, die kleine Meerjungfrau gibt es auch heute nicht. Hier hat der Autor wohl zuviel Luftgeist oder Klementine erinnert.

    Die Kleine heißt Arielle.

    Da stimmt wahrscheinlich auch der Name „Mafred Spitzer“ (zweite Zeile) nicht. Google findet immerhin 66 Treffer.

  • Gerfried Braune 16. Februar 2010 um 12:06 Uhr

    Das mit der kleinen Ariel habe ich aus dem Buch entnommen. Heißt sie wirklich Arielle?

    Der Herr Spitzer heißt übrigens Manfred mit Vornamen.

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