Bleibe im Modus „Wie interessant, dass …“
Systemisches Denken ist meiner Meinung nach die Grundlage der Mediation. Allerdings taucht systemisches Denken in den Inhalten der Ausbildung zum zertifizierten Mediator mit keiner Silbe auf. Über die Qualität dieses Kurrikulums lässt sich ohnehin streiten, da es auch kaum Raum für moderne pädagogische Konzepte lässt. In der von uns angebotenen Ausbildung nimmt systemisches Denken aus gutem Grund einen breiten Raum ein.
In dem Buch „66 Gebote systemischen Denkens und Handelns in Management und Beratung“ von Torsten Groh wird man auch und besonders für die Mediation fündig. Das eine oder andere Gebot werde ich hier in loser Folge auf dem Blog besprechen.
Den Anfang mache ich mit dem Gebot Nr. 6: „Bleibe im Modus „Wie interessant, dass …“ auf Seite 26 des Buches.
Bei diesem Gebot geht es darum, Aussagen des Gegenübers nicht sofort in irgendeiner Form zu bewerten, sondern offen und neugierig zu bleiben, was das Gegenüber wirklich gemeint hat. Wir Menschen neigen dazu, alles was auf uns an Informationen einströmt, sofort zu bewerten. Damit schneiden wir uns den Weg zu völlig anderen Bewertungen ab, wir erliegen dem Vor-Urteil. Gerade als Mediator ist es für mich wichtig, nicht vorschnell die Beiträge und Meinungen der Mediand*innen zu bewerten und einzuordnen. Allerdings geschieht dies oft unwillkürlich. Deshalb ist es wichtig, siech diese Regel immer wieder in Erinnerung zu rufen und darauf zu achten, dass alle Interpretationsmöglichkeiten offen gehalten und nicht einige ausgeschlossen werden.
Gehe ich mit dem Gedanken „Wie interessant, dass …“ auf die Mediand*innen zu, bleibt der Horizont offen für andere Möglichkeiten des Denkens.
Wir sind uns ja als Mediator*innen bewusst, dass wir zwar die Worte hören, aber keinen Zugang zum Sinn dessen haben, was das Gegenüber tatsächlich als Sinn mitgegeben hat. Jeglicher Sinn des Gesagten wird von uns selbst als Empfänger der Worte konstruiert. Gelegentlich ist unsere Konstruktion richtig, meistens verstehen wir einen Teil dessen, was das Gegenüber gemeint hat und manchmal (?) liegen wir auch völlig daneben. Ein schönes Beispiel hat mir einmal eine Kollegin erzählt. Sie verteidigte einen Mandanten, der des Diebstahls einer „Eidechse“ angeklagt war. Allen Beteiligten bis auf den Richter war klar, dass es sich um einen Hubwagen für Paletten handelte. Zur Freude der Beobachter entfaltete isch eine abstruse Kommunikation, weil der Richter von einer lebenden Eidechse ausging und allein schon von der Größe der Eidechse beeindruckt war, während der Angeklagte nicht verstand, warum die Eidechse nicht mit ihm mitgehen sollte. Irgendwann hatte ein Prozessbeteiligter Erbarmen mit dem Richter und dem Angeklagten und löste das Rätsel auf.
Hätten beide das Gebot Nr. 6 für sich beachtet, hätten sie nach den für ssie unerklärlichen Widersprüchen zu ihrer Vorstellung dessen, was der jeweils andere gesagt hat, fragen können. So aber gingen bede davon aus, dass ihre Interpretation des von anderen Gesagten die einzige richtige ist.
Deshalb: Bleibe im Modus „Wie interessant, das …“