Achtet auf die Worte
Im Bundestag ging es in der letzten Woche um das „Zustrombegrenzungesgesetz“, offizielle Bezeichnung: Gesetz zur Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland.
Es ist bekannt, dass darüber heiß diskutiert wurde und das Gesetz dank einiger Abgeordneter, die dagegen stimmten oder der Abstimmung bewusst fernblieben, nicht angenommen wurde. Eigentlich geht es mir nicht darum. Es geht vielmehr darum, dass allein die Bezeichnung des Gesetzes bei den Menschen Vorstellungen hervorrief und Dinge als Tatsache unterstellt wurden.
Der Begriff „Zustrom“ kann in bestimmten Kontexten negative Konnotationen hervorrufen, insbesondere wenn Migration oder Flüchtlingsbewegungen als Herausforderung, Bedrohung oder Belastung wahrgenommen werden. Hier sind einige der häufigsten negativen Assoziationen:
- Überforderung und Kontrollverlust
- Überlastung von Ressourcen: Der Eindruck, dass der Zustrom zu überfüllten Unterkünften, überlasteten Sozialsystemen oder Infrastrukturen führt.
- Chaotische Zustände: Bilder von unkontrollierten Menschenmengen an Grenzen oder in Städten vermitteln das Gefühl von Unordnung oder Kontrollverlust.
- Unfähigkeit des Staates: Die Wahrnehmung, dass Regierungen oder Behörden nicht in der Lage sind, die Situation zu bewältigen.
- Bedrohung von Sicherheit
- Kriminalität und Konflikte: Oft wird der Zustrom von Migranten mit einem Anstieg von Kriminalität oder sozialem Konflikt in Verbindung gebracht, obwohl solche Annahmen nicht immer durch Daten gestützt sind.
- Grenzsicherung: Die Notwendigkeit, Grenzen stärker zu kontrollieren, wird mit dem Bild von unerwünschten oder gefährlichen Eindringlingen verknüpft.
- „Flut“- und „Überflutungs“-Rhetorik
- Metaphern der Naturkatastrophe : Begriffe wie „Flut“ oder „Welle“ erwecken den Eindruck von etwas Bedrohlichem, das über Gesellschaften „hereinbricht“ und sie „überschwemmt“. Diese Sprache hat oft eine entmenschlichende Wirkung.
- Unaufhaltsamkeit: Der Zustrom wird als etwas dargestellt, das nicht kontrolliert oder gestoppt werden kann, was Ängste schüren kann.
- Verlust von Identität und Kultur
- Bedrohung nationaler Werte: Der Zustrom von Migranten wird manchmal als Gefahr für nationale Identitäten, Traditionen oder die kulturelle Homogenität empfunden.
- „Fremde“ Einflüsse: Die Sorge, dass neue kulturelle, religiöse oder soziale Werte mit bestehenden Normen kollidieren könnten.
- Wirtschaftliche Belastungen
- Konkurrenz um Ressourcen: Die Angst, dass Migranten Einheimischen Arbeitsplätze wegnehmen oder zu Lohndumping führen könnten.
- Belastung der Sozialsysteme: Die Befürchtung, dass ein Zustrom von Migranten die Sozialkassen überstrapaziert, etwa durch hohe Kosten für Unterbringung,
- Angst vor Parallelgesellschaften
- Ghettoisierung: Die Vorstellung, dass Migranten sich nicht integrieren und stattdessen in abgeschotteten Parallelgesellschaften leben könnten.
- Radikalisierung: Die Befürchtung, dass mangelnde Integration zu Spannungen oder
- Polarisierung der Gesellschaft
- Spaltung durch Diskussionen: Der Begriff „Zustrom“ wird häufig in politischen Debatten verwendet, die die Gesellschaft in Unterstützer und Kritiker spalten.
- Mediale Übertreibung: Negative Bilder und Begriffe in Medien können Ängste verstärken, die möglicherweise nicht der Realität entsprechen.
- Dehumanisierung
- Anonymität und Entmenschlichung: Der Begriff „Zustrom“ kann Migranten als anonyme Masse darstellen, statt als Individuen mit persönlichen Geschichten, was Empathie vermindern kann.
- Gefühl der Bedrohung: Wenn Menschen als unkontrollierbare Ströme oder Zahlen dargestellt werden, wird oft die menschliche Dimension übersehen.
Diese negativen Konnotationen können bewusst oder unbewusst durch Sprache, Bilder und Debatten hervorgerufen werden. Sie spielen eine große Rolle in der Art, wie Migration wahrgenommen wird, und beeinflussen politische sowie gesellschaftliche Einstellungen. Möchtest du mehr über die Ursachen dieser Wahrnehmungen oder mögliche Gegenbilder sprechen?
Wenn dann ein Gesetz mit diesem Namen eingebracht wird, weil es angeblich notwendig sei im Hinblick auf von Ausländern begangenen Straftaten, so wird klar, dass diese negativen Assoziationen und Bilder bewusst geschürt werden sollen. Gefährlich ist in meinen Augen, dass gerade der Punkt Dehumanisierung betont wird. Es geht nicht mehr um das einzelne Schicksal von Menschen, die aus Not heraus ihre Heimat und ihr soziales Umfeld verlassen mussten und sich auf eine oft lebensgefährliche und traumatisierende Flucht begeben haben, sondern um „illegale Migration“. Wobei auch das Wort „illegal“ wieder Assoziationen Kriminalität und Gesetzesverstoß weckt.
Dies alles ist kein guter Weg über den Umgang mit geflüchteten Menschen zu sprechen und zu diskutieren. Dies gilt um so mehr, als es sich hier wieder nicht um eine Frage handelt, die einfach zu beantworten is. Es ist eine sehr komplexe Frage, die nicht unterkomplex durch scheinbare einfache Lösungen zu klären ist. Daher sollten sich alle Beteiligten in Zukunft bemühen, weniger aufgeregt den Diskurs zu führen, wie wir damit umgehen, dass viele Menschen aufgrund von Kriegen, Vertreibung und wirtschaftlicher Not sich auf den Weg in andere Länder machen. Nur mit negativ besetzten Schlagwörtern zu agieren ist der falsche Weg!